Telefonische Beratung/Grundsätze

"Die Arbeit am Telefon wirft ganz spezielle Probleme auf: Zum ersten kann alles, was wir in einem persönlichen Gespräch an averbaler Kommunikation beobachten können und was uns insbesondere in der Beurteilung der affektiven Lage sehr hilfreich ist, bei der Arbeit am Telefon nur über den akustischen Kanal laufen. Zum zweiten kann ein solches Gespräch jederzeit vom Anrufer unterbrochen werden. Auch Zufälligkeiten können die Verbindung stark beeinträchtigen. Letztendlich ist die Arbeit auch körperlich sehr anstrengend. Weiters ist die Gefahr, bei telefonischen Beratungen durch andere Personen gestört zu werden, ziemlich groß. All diese Schwierigkeiten können sich jedoch auch als Vorteile herausstellen. (...) Die Anonymität, die durch die mittelbare Kommunikation über das Telefon möglich ist, erleichtert es auch manchen Klienten, in Kontakt zu treten. (...)
Telefonseelsorge - Telefonnotruf leisten enorm viel in der Krisenbewältigung, (...).
Die telefonische Krisenintervention unterscheidet sich in der Praxis nicht von der sonstigen Krisenarbeit: Das Arbeiten an der Beziehung, die Entlastung, das Einbeziehen anderer Personen oder Ressourcen, das Erheben der Krisensituation und allfälliger Suizidgefährdung sowie die Entwicklung eines Aktionsplans sind auch hier die Grundvoraussetzungen."
(G. Sonneck: Krisenintervention und Suizidverhütung)

Die Frauenhelpline arbeitet nach den Prinzipien der feministischen Sozialarbeit.

Die Frauenhelpline bietet unbürokratische Soforthilfe. Sie ist kostenlos für Betroffene rund um die Uhr aus ganz Österreich erreichbar.

Die Mitarbeiterinnen arbeiten inhaltlich autonom.

Die Anruferinnen werden ausschließlich von Frauen beraten. Die Frauenhelpline wird als Einrichtung des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser von Frauen geleitet.

Für die Beratung gilt das Prinzip der Parteilichkeit für die hilfesuchende Frau. Die Beraterinnen stellen sich auf die Seite der Betroffenen und diese als Expertin ihrer Situation an. Auch nach außen bzw. bei Interventionen und/oder Kontaktherstellung zu anderen Institutionen wird die Sichtweise der Anruferin vertreten.

Die telefonische Beratung erfolgt streng vertraulich und anonym, d. h. die Anruferin muss keinerlei persönliche Daten bekannt geben. Sind persönliche Daten notwendig (z. B. bei Interventionen), so werden Informationen ausschließlich unter ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen weitergegeben. Die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Die Beraterinnen arbeiten nach der Methode des Empowerments.
Ziel der gesamten Beratungsarbeit ist die Ermächtigung von Frauen, die darin besteht, Kontrolle und Entscheidungsfreiheit, also Macht über das eigene Leben zu gewinnen. Die Frauen sollen in Form von Hilfe zur Selbsthilfe dazu befähigt werden, ihr Leben nach ihren eigenen Bedürfnissen und ihren eigenen Wünschen zu gestalten.

"Das erste Prinzip der Heilung ist die Ermächtigung der Überlebenden. Sie muß die Verfasserin und Richterin ihrer eigenen Heilung sein. Andere können Ratschläge erteilen, Unterstützung, Assistenz, Zuneigung und Fürsorge geben, aber keine Heilung. Viele wohlwollende und gutgemeinte Versuche, den Überlebenden zu helfen, schlagen fehl, weil das fundamentale Prinzip der Ermächtigung nicht eingehalten wird. Keine Intervention, die der Überlebenden noch weiter Macht und Kontrolle über ihr Leben nimmt, kann ihre Heilung unterstützen, egal wie sehr diese auch unmittelbar in ihrem besten Interesse erscheint." (J. L. Herman: Die Narben der Gewalt)

Die Niederschwelligkeit der Einrichtung ermöglicht es, auch Frauen zu erreichen, die in ihrer Betroffenheit und der meist akuten psychischen Belastungssituation durch ihre Gewalterfahrungen nicht die Kraft haben, andere Einrichtungen aufzusuchen bzw. herauszufinden, an wen sie sich wenden könnten. Das heisst, es wird ein unverbindliches und vertrauliches Gespräch angeboten, von dem die Anruferinnen, ohne einen Termin vereinbaren oder lange warten zu müssen, Gebrauch machen können.
Auf diese Weise entwickeln sich aus scheinbar "kurzen Fragen" lange Gespräche. Der Grund des Anrufes wird oftmals umschrieben. Meist kommt erst im Lauf eines intensiven Gesprächs der Gewaltaspekt zum Vorschein. Die Frage: "Ist es Gewalt, wenn...?", die die Mitarbeiterinnen immer wieder am Beginn eines Gesprächs hören, macht die große Unsicherheit vieler betroffener Frauen bezüglich der Definition von Gewalt deutlich. Viele Anruferinnen betonen auch, dass sie nicht von Gewalt betroffen seien, da ihr Mann/Freund sie ja nicht schlage. Im Beratungsgespräch stellt sich aber bald heraus, dass sie sehr wohl Betroffene sind, da Männer vielfältige Formen von psychischer oder sozialer Unterdrückung (Gewalt) praktizieren, um Frauen zu kontrollieren und zu beherrschen.

Dem Team der Frauenhelpline geht es vor allem darum, den Frauen zuzuhören, ihnen unvoreingenommen zu glauben (Parteilichkeit) und sie in ihrem ersten Schritt - den Kreislauf der Gewalt mit diesem Anruf zu durchbrechen - zu unterstützen und zu bestärken. Zusätzlich wird versucht, mit den Frauen Ansätze für eine konstruktive Lösung ihrer Probleme zu erarbeiten - soweit dies in einem ersten Anruf möglich ist. Natürlich sind oft mehrere Gespräche notwendig, um Frauen dabei zu helfen, einen Weg für sich zu finden, d. h. es besteht das Angebot, die Frauenhelpline auch mehrmals in Anspruch zu nehmen.

Die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline begleiten Frauen vor und bei der Entscheidung zu einem Ausstieg aus einer Gewaltbeziehung, während dieses Prozesses und auch danach. Die physischen und psychischen Auswirkungen von erlebter und manchmal gerade noch überlebter Gewalt können noch lange nach der Trennung vom Gewalttäter anhalten. Phasen des Zweifelns und der Einsamkeit können akute psychische Krisen im Sinne einer posttraumatischen Belastungsreaktion auslösen.

In solchen Momenten kann das Inanspruchnehmen eines telefonischen Beratungsangebotes viel zur Entlastung beitragen und über die Krise hinweg helfen. Gerade deshalb ist es enorm wichtig, als Kriseneinrichtung rund um die Uhr erreichbar zu sein.
Akute psychische Krisen können auch Suizidgedanken und -versuche auslösen. Die Beraterinnen der Frauenhelpline besuchen immer wieder spezielle Schulungen, um suizidgefährdeten AnruferInnen adäquate Hilfe anbieten zu können.

Im Laufe der Zeit hat sich auch eine längerfristige telefonische Begleitung von Anruferinnen herauskristallisiert. Es gibt mehrere Frauen und Mädchen, die in regelmäßigen, vorher vereinbarten Abständen über einen gewissen Zeitraum hinweg anrufen. Speziell in Fällen von sexuellem Missbrauch, den Frauen in der Kindheit/Jugend erlebt haben und jetzt therapeutisch aufarbeiten, bietet die Frauenhelpline dieses Service als Begleitung neben einer Therapie an.

Immer wieder wenden sich auch Kinder und Jugendliche, die von Gewalt betroffen oder mitbetroffen sind, an uns. Diese Anrufe gestalten sich oft sehr schwierig, vor allem je jünger die Kinder sind. Hierbei ist genau und vorsichtig abzuwägen, inwieweit beispielsweise eine Intervention bei der Exekutive dem Kind nicht mehr schaden als nützen kann. Auch in diesen Fällen ist die Zusammenarbeit mit regionalen Hilfseinrichtungen immens wichtig, mit denen die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline dann Kontakt aufnehmen. Gemeint sind hier Jugendämter, Kinderschutzzentren, Kinder- und Jugendanwaltschaft etc.

Die Nummer 0800/222 555 wird auch häufig von Anruferinnen gewählt, die sich in ihrer Partnerschaft bzw. in ihrer familiären Situation nicht mehr wohl fühlen. Es gibt Streit, Missverständnisse, die Frauen fühlen sich überfordert und allein gelassen. Die Anruferinnen zitieren immer wieder Aussagen ihrer Partner, die bereits als gewalttätige Grenzüberschreitungen angesehen werden. Auch hier wird versucht, mit den Anruferinnen gemeinsam Lösungsstrategien zu erarbeiten, eventuell auch eine Trennung und deren Folgen anzudenken. In diesem Sinn leistet die telefonische Beratungstätigkeit auch einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Gewalt.

Die nachteilige Wirkung von erlebter Gewalt auf die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen ist mittlerweile vielfach belegt. Präventive Beratung, Krisenberatung und Entlastung sowie das frühzeitige Erkennen von gesundheitsgefährdenden Lebenssituationen, das Hinweisen der Betroffenen darauf und die Motivation und Unterstützung in dem Prozess, belastende Faktoren zu verändern, bilden wesentliche Bestandteile einer ganzheitlichen Beratung, die Gesundheitsförderung für Frauen im Blickpunkt hat.

Gerade wenn spezifische Einrichtungen geschlossen sind, wenden sich vermehrt Frauen und Mädchen mit psychischen Erkrankungen (oft auch eine Folge von erlebter Gewalt in Kindheit und Jugend) an die Frauenhelpline. In einer akuten Krise wird auch in diesen Fällen eine Krisenberatung angeboten. In der Folge wird möglichst schnell aber behutsam an die zuständige Notfallpsychiatrie oder andere regionale Hilfseinrichtungen weitervermittelt.

Der telefonischen Beratung und Betreuung der Betroffenen sind jedoch auch Grenzen gesetzt. Es fehlt das persönliche Beratungsgespräch (die face-to-face-Kommunikation) und die daraus entstehende größere Verbindlichkeit. Oft wird dies von Anruferinnen, die durch wiederholte oder länger dauernde Gespräche Vertrauen zu den Mitarbeiterinnen fassen und sie als Begleiterinnen auf dem oftmals langen Weg der Loslösung vom Misshandler sehen, bedauert.

Tatsache ist, dass viele Anruferinnen einen großen Bedarf an persönlicher Beratung vor Ort wünschen. Das Netz an frauenspezifischen Hilfseinrichtungen ist - vor allem in den Bundesländern - keineswegs flächendeckend und ausreichend und muss ausgebaut werden. Je mehr Alternativen und Möglichkeiten die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline den Frauen vor Ort anbieten können, desto effizienter ist auch die Beratungsarbeit.

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