AUSGEWÄHLTE FALLBEISPIELE

Die folgenden Fallbeispiele sollen Einblick in verschiedene Themenbereiche und Probleme der AnruferInnen bieten, auf die die Mitarbeiterinnen eingehen und beratend, stützend, entlastend und gegebenenfalls intervenierend tätig werden. Die Gespräche sind inhaltlich stark zusammengefasst, um Wesentliches überblicksartig hervorzuheben. Um den Datenschutz zu wahren, wurden Angaben der Anruferinnen abgeändert dargestellt.

Thema: Traumatische Gewalterfahrung in der Kindheit
Die Anruferin hat die Nummer der Frauenhelpline im Internet gefunden. Da es ihr seit einiger Zeit sehr schlecht geht, hat sie begonnen, in diesem nach möglichen Hilfseinrichtungen zu suchen. Es ist nun das erste Mal, dass sie sich um Unterstützung bemüht und sie ist sich nicht sicher, ob ihr überhaupt irgend jemand helfen kann. Es fällt ihr sehr schwer einen Anfang ihrer Geschichte zu finden. Nach einiger Zeit beginnt sie zu erzählen. Sie ist 26 Jahre alt und bis vor kurzem hat sie eigentlich ein normales Leben geführt. Sie hat eine Ausbildung abgeschlossen, kurze Zeit gearbeitet bis sie ein Kind zur Welt brachte. Seit dem lebt sie mit ihrem Freund und dem kleinen Kind zusammen. Und irgendwann hat es dann begonnen. Sie ist jede Nacht von Albträumen geplagt aufgewacht und konnte dann nicht mehr einschlafen. In diesen Situationen ist sie total verzweifelt und fühlt sich schrecklich hilflos. Mit ihrem Freund kann sie darüber nicht reden; überhaupt kann sie mit niemandem darüber reden. Sie hat als Kind etwas sehr Schlimmes erlebt. Über Jahre ist es ihr gelungen, diese schlimmen Erinnerungen zur Seite zu schieben, doch nun kann sie einfach nicht mehr. Die Gedanken kommen von selbst. Es ist ihr klar geworden, dass sie als Kind sexuell missbraucht worden ist und dass sie Hilfe braucht.
Die Beraterin führt mit der betroffenen Frau ein sehr langes Gespräch. Die junge Frau weint immer wieder und meint, sie sei froh, angerufen zu haben. Im Laufe des Gesprächs wird ihr immer klarer, dass sie ihr Problem nicht alleine lösen kann, dass sie Unterstützung dabei braucht. Im Moment fühlt sie sich allerdings nicht in der Lage, Kontakt zu einer entsprechenden Beratungsstelle, in der sie auch psychotherapeutische Unterstützung bekommen könnte, aufzunehmen. Sie kann zur Zeit noch niemandem persönlich gegenübertreten, wenn sie über ihr Problem spricht. Sie schämt sich so. Außerdem möchte sie anonym bleiben. Die Beraterin und die Anruferin vereinbaren, dass die junge Frau den Weg bis zu einem Kontakt mit einer Beratungsstelle nicht alleine gehen muss. Die Beraterin der Frauenhelpline wird sie bis dahin telefonisch begleiten. So war es dann auch. Die junge Frau hat sich in regelmäßigen Abständen bei der Beraterin gemeldet und diese hat sie mit ihren Ängsten und Zweifeln ernst genommen, ihr Vertrauen geschenkt und ihr Sicherheit auf diesem schwierigen Weg gegeben. Durch die Gespräche fand die junge Frau den Mut, den Kontakt zu einer Beratungsstelle herzustellen und eine Psychotherapie zu beginnen.

Thema: Verdacht auf sexuellen Missbrauch
Die Anruferin ist Lehrerin an einer Grundschule und hatte vor ein paar Tagen ein längeres Gespräch mit einer Kollegin (einer Turnlehrerin) über ein sich seit einiger Zeit auffallend verhaltendes zehnjähriges Mädchen. Aufgrund häufig sichtbarer blauer Flecken hatte die Turnlehrerin das Mädchen gefragt, ob ihr Vater sie schlage und darauf die Antwort erhalten: „Ja, auch“. Beide Lehrerinnen haben den Verdacht auf sexuellen Missbrauch, sind jedoch unsicher, wie sie am besten weiter vorgehen können.
Die Beraterin rät dringend dazu, nichts zu überstürzen, sondern zunächst einmal die bereits vorhandene Vertrauensbeziehung der Turnlehrerin zu dem Mädchen auszubauen und das Gespräch mit ihr zu suchen. Sollte sich der Verdacht erhärten, so wird es auch im gesamten weiteren Verlauf entscheidend sein, jeden Schritt in Absprache mit dem Mädchen genau zu planen und die Folgen durchzudenken. Die Beiziehung und Einbindung von Vertreterinnen einschlägiger Beratungsstellen und kompetenter Institutionen wurde von der Beraterin dringend empfohlen. Nur so kann eine gezielte Aufdeckung erfolgen und die weitere Traumatisierung des betroffenen Kindes vermieden werden.

Thema: Sexuelle Gewalt gegen Kinder
Ein etwa zehnjähriges Mädchen meldet sich ein wenig unsicher und kichernd. Im Hintergrund sind noch andere Kinder zu vernehmen, die die Kontaktaufnahme hörbar spannend und unterhaltsam finden. Nachdem sie sich kurz nach der Einrichtung, in der sie jetzt gelandet ist, erkundigt hat, berichtet sie in relativ emotionslosem Tonfall von einem sexuellen Übergriff durch einen erwachsenen Mann, der, wie sie sagt, vor einiger Zeit gegen sie stattgefunden hat. Auf die nachfolgenden Fragen der Beraterin bringt sie die recht schlüssige Geschichte einer Vergewaltigung vor, sie wird aber immer wieder von ihren ungeduldigen FreundInnen unterbrochen. Ein Junge ergreift das Telefon und erzählt eine ähnliche Geschichte, bis es dem Mädchen gelingt, den Telefonhörer wieder in die Hand zu bekommen.
In dem Bewusstsein, dass es bei derartigen Anrufen einerseits um ein Probehandeln, um eine „Was-wäre-wenn“-Frage (der im Sinne der Präventionsarbeit eine sehr wichtige Funktion zukommt) gehen kann, und dass andererseits gerade kleinere Kinder in der Lage sind, von schweren Übergriffen ohne viel Emotionen zu erzählen, erklärt die Beraterin den Kindern, wie schwierig es ist, Vorkommnisse dieser Art mit mehreren Kindern gleichzeitig und per Telefon zu besprechen. Sie gibt ihnen die Telefonnummer des nächstgelegenen Kinderschutzzentrums mit dem Hinweis, dort weitere Hilfe zu finden. Am nächsten Tag erfolgt zufällig bei derselben Beraterin der Anruf einer Frau, die sich erkundigt, was ihre zehnjährige Tochter möglicherweise am Vortag bei der Frauenhelpline „in die Wege geleitet“ hat. Sie sagt, die Vergewaltigung der Kleinen wurde bereits zur Anzeige gebracht und werde bald vor Gericht verhandelt. Die Beraterin gibt schließlich auch der Mutter die Telefonnummer des Kinderschutzzentrums und informiert über das dortige Angebot psychotherapeutischer Unterstützung und Begleitung.

Thema: Ältere Frau – von Gewalt und Armut betroffen
Kostet dieser Anruf etwas? Mit dieser Frage beginnt die Anruferin das Gespräch und unmittelbar darauf folgt ein Schweigen und dann ein leises Schluchzen. Die Beraterin wartet etwas und fragt dann, was sie für die Anruferin tun kann. Daraufhin beginnt die Frau ihre Geschichte zu erzählen. Sie steht kurz vor der Pension und ihr Mann verlangt von ihr, dass sie diese (es werden nur ungefähr 300€ sein) dann auf sein Konto überweisen soll. Er verlangt von ihr, dass sie sich um den gesamten Haushalt und auch um seine Fischzucht kümmert (was sie bisher auch immer getan hat), während er beinahe sein ganzes Geld für teure Jagden und Ausflüge mit Freunden verbraucht. Sie ist über 55 Jahre alt und weiß nun nicht mehr weiter. Die Verachtung, Geringschätzung und die Beschimpfungen seitens ihres Mannes werden immer häufiger, unerträglicher und gemeiner. Er macht sich lächerlich über sie, nimmt ihr ihr gesamtes Selbstwertgefühl, indem er immer wieder betont, dass sie nichts kann und sowieso für alles zu dumm ist. Vor ein paar Jahren hat sie ihn deshalb schon einmal verlassen und ist in ein Frauenhaus gegangen, aber alle seine Verwandten haben auf sie eingewirkt und sie schließlich zur Rückkehr bewogen, weil er versprochen hat, sich zu bessern. Sein Versprechen hat jedoch nicht lange gehalten. Nun ist das Zusammenleben gänzlich unerträglich geworden, er stellt ihr sogar laufend Fallen, damit sie sich verletzt.
Sie überlegt nun erneut in ein Frauenhaus zu gehen, möchte aber nicht mehr in dasselbe zurückkehren. Sie schämt sich, obwohl es ihr dort sehr gut gegangen ist, obwohl die Betreuerinnen sich so gut um sie gekümmert haben. Das nächste Frauenhaus wäre in der Stadt, aber vor der Stadt hat sie Angst, dort fühlt sie sich hilflos. Der eigentliche Grund ihrer Unsicherheit aber ist, dass sie nicht weiß, wie es danach weitergehen soll: Mit 300€ Pension kann sie sich keine eigene Wohnung leisten und ihr Leben nicht bestreiten. Genau das aber würde sie sich für ihre Zukunft wünschen: Ein eigenes Zimmer, eine eigene kleine Wohnung für sich, wo sie in Ruhe ihren Lebensabend verbringen kann.
Dann hört die Beraterin im Hintergrund Geräusche, die Anruferin erklärt, ihr Mann ist gerade nach Hause gekommen, sodass sie nicht mehr weiterreden kann und beendet abrupt das Gespräch.

Thema: Schwer krank und vom Lebensgefährten misshandelt
Die Anruferin schluchzt am Telefon, sie bekommt schwer Luft, es dauert einige Zeit, bis ein Gespräch möglich ist. Dann möchte sie wissen, was sie tun könne, wenn der Mann gewalttätig ist und nicht ausziehen will. Die Beraterin fragt vorsichtig nach, und langsam erzählt die Frau, dass sie selbst unheilbar krank ist, eine schwere Operation hinter sich hat. Eigentlich bräuchte sie selbst Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung des Haushaltes, der sie sehr viel Kraft kostet. Da ist aber noch der um beinahe 20 Jahre ältere Lebensgefährte, der sehr dement ist und seine Körperpflege schwer vernachlässigt. Die Anruferin ist völlig verzweifelt, da der Lebensgefährte sie immer wieder schlägt und schwerstens misshandelt. Sie hat schon einige verzweifelte Versuche gemacht, sich von ihm zu trennen, was aber aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes äußerst schwierig ist, da er eigentlich in einem Pflegeheim untergebracht werden müsste. Dorthin geht er aber niemals freiwillig, weil er ja ohnehin alles hat, was er braucht... Die Anruferin ist zutiefst verzweifelt und auch schwer suizidgefährdet, sie kann aufgrund ihrer Krankheit auch nicht zu einer Beratung und hat das Gefühl, dass sie der Situation völlig ausgeliefert ist. Ihr Wunsch: Es soll jemand kommen, der ihr hilft, dass der Lebensgefährte nicht mehr bei ihr wohnt. Im Einverständnis mit der Anruferin interveniert die Beraterin der Helpline bei der zuständigen Sozialabteilung; es wird für den nächsten Tag ein Hausbesuch durch die Sozialarbeiterin vereinbart.

Thema: Von Gewalt betroffene ältere Frau
Eine verzweifelte weibliche Stimme meldet sich, sie wirkt schüchtern und ängstlich, sie fragt, ob sie hier richtig ist. Ihr Mann schlägt sie nicht, aber er diffamiert sie und stellt sie vor den Nachbarn immer öfter bloß, er macht sich häufig vor anderen Leuten über sie lustig. Bisher ging sie einer kleinen Nebenbeschäftigung nach, aber das verbietet er ihr nun, er will, dass sie ganz für ihn und für die gemeinsame Landwirtschaft da ist. Sie haben einen vom Ort sehr weit abgelegenen Bergbauernhof. Sie ist beinahe 60 Jahre alt und hat ihr gesamtes Eheleben mit ihm dort verbracht, aber manchmal, so erzählt sie, braucht sie Kontakt mit anderen Menschen. Also hat sie eine geringfügige Beschäftigung in einer nahegelegenen Hilfsorganisation angenommen, um öfter unter Leute zu kommen und anderen Menschen zu helfen. Das aber verbietet ihr der Mann nun vollkommen. Sie weiß nicht mehr ein noch aus, in letzter Zeit denkt sie sogar öfter an Selbstmord. Von Frauenhäusern hat sie schon gehört, aber für den Schritt in ein Frauenhaus zu gehen, fühlt sie sich zu alt und außerdem weiss sie nicht, was sie nachher tun soll. Ihre finanzielle Lage ist schlecht, sie bekommt keine bzw. eine sehr geringe Pension von 183€ und hat wenig Erspartes.
Die Beraterin betont nach einem ausführlichen Gespräch noch einmal die Möglichkeit, sich in einem Frauenhaus in Ruhe überlegen zu können, wie sie ihren Lebensabend verbringen möchte und dass sie mit Hilfe der Betreuerinnen auch eine Lösung ihrer finanziellen Probleme finden würde. Diese Entscheidung könnte außerdem eine Chance für ihren Mann sein, über sein Fehlverhalten nachdenken. Wenn sie jedoch den Weg in ein Frauenhaus (noch) nicht gehen möchte, könnte sie auch in einer Frauenberatungsstelle Stärkung und Unterstützung für sich selber finden. Außerdem könnte sie jederzeit wieder bei der Helpline anrufen, wenn sie Unterstützung und Hilfe benötigen würde. Die Frau war dankbar für die Informationen und sie hat sich schließlich mit den Worten verabschiedet Ich werde mir alles durch den Kopf gehen lassen und in Ruhe überlegen, - ihre Absicht Selbstmord zu begehen aber hat sie nicht mehr geäußert. Sie hat später noch einmal angerufen und mitgeteilt, dass sie bereits einmal in der genannten Frauenberatungsstelle war, und dass sie sich jetzt wieder besser und vor allem gestärkter fühlt.

Thema: Anrufer erkundigt sich für eine Freundin
Seit Jahren beobachtet der Anrufer die Vorfälle in der unglücklichen Ehe einer Freundin der Familie. Der Ehemann der Betroffenen ist Alkoholiker, wieder und wieder hat er seine Frau (und manchmal auch die gemeinsamen Kinder) geschlagen und grob beschimpft, bis sie es schließlich nicht mehr aushalten wollte und die Flucht ergriff. Ohne Geld und Kleidung stand sie mit den zwei kleinen Kindern am Bahnhof, „...so richtig klassisch“, sagt der Anrufer, der sie am nächsten Tag ins Frauenhaus brachte. Bald hatte der arbeitslose Ehemann jedoch herausgefunden, wo sich seine Frau und seine Kinder aufhielten, er begann sie zu verfolgen und zu terrorisieren, wo er nur konnte. Durch die Unterstützung der Mitarbeiterinnen des Frauenhauses fand sie rasch eine neue Wohnung, muss aber nun fürchten, trotz Meldesperre vom Mann neuerlich aufgespürt und bedroht zu werden. Die körperlichen und seelischen Kräfte der Betroffenen sind durch die erlittene Gewalt stark in Mitleidenschaft gezogen. Ihren eigenen Aussagen zufolge kann sie oft kaum noch die Energie aufbringen, um die wichtigsten Dinge für sich selbst und die Kinder zu erledigen. Der Anrufer möchte Informationen einholen, um im Gespräch mit ihr vorausplanen und im Ernstfall rasch handeln und Hilfestellung geben zu können.
Die Beraterin informiert ihn über die gesetzlichen Möglichkeiten und wie sie im vorliegenden Falle zur Anwendung kommen könnten. Sie bespricht die strafrechtlichen Schritte, sowie mögliche Vorgangs- und Verhaltensweisen in einer Akutsituation.

Thema: Arzt ruft für Patientin an
Ein Anruf im Nachtdienst. Der Anrufer ist Turnusarzt in einem psychiatrischen Krankenhaus. Er erzählt von einer Patientin, die nach einem Suizidversuch stationär aufgenommen wurde. In einem der Therapiegespräche erfuhr er den Grund für die Verzweiflungstat der Frau: Sie wurde vor einigen Jahren vergewaltigt, hat aber mit niemandem über ihre schrecklichen Erlebnisse gesprochen. Sie dachte, sie müsse selbst damit fertig werden, wurde jedoch zunehmend depressiver und zog sich mehr und mehr zurück. Nun hat sie sich bereit erklärt, nach ihrer Entlassung eine Psychotherapie zu beginnen. Der Anrufer sucht deshalb nach einer Möglichkeit für eine ambulante Betreuung der Patientin und hat im Internet unsere Telefonnummer gefunden.
Die Beraterin nennt ihm nicht nur eine geeignete Einrichtung, sie bestärkt den jungen Arzt, durch ein für ihn entlastendes Gespräch für seine Patientin ein wichtiger Ansprechpartner zu bleiben.

Thema: Vater für seine Tochter, die in einer Gewaltbeziehung lebt(e)
Der Anrufer ist sehr betroffen, vor allem darüber, dass er und seine Frau (die, wie er sagt, seit vielen Jahren eine harmonische Ehe führen) jahrelang überhaupt nicht bemerkt haben, wie es der gemeinsamen Tochter in ihrer Ehe geht.
Die Tochter war acht Jahre verheiratet, erst im Zuge der Scheidung hat der Vater jedoch erfahren, dass ihr Ehemann extrem gewalttätig war. Nach und nach konnte die junge Frau mit den Eltern über die massiven körperlichen Misshandlungen sprechen. So hat ihr der Mann beispielsweise die Kniescheibe „ausgedreht“, den Kiefer gebrochen, oder einmal versucht, sie in der Badewanne zu ertränken. Wenn sie mit blauen Flecken zu den Eltern kam, hat sie immer erzählt, sie sei gestolpert oder hätte sich irgendwo gestoßen. Nach der Scheidung war sie dann einige Zeit in Behandlung bei einem Psychiater, was jedoch bald ihre finanziellen Möglichkeiten überstieg. Nun ist sie auf der Suche nach einer Therapie, die für sie leistbar ist. Der Vater möchte sie dabei unterstützen und fragt, wo sie eine geeignete Therapeutin finden kann. Die Beraterin gibt ihm die Nummer einer Frauenberatungsstelle für die Tochter.
Für den Anrufer ist es sehr wichtig, sich im Gespräch zu entlasten. Er ist sehr froh, endlich über seine Betroffenheit und Erschütterung, nichts bemerkt zu haben, sprechen zu können. Die Beraterin bietet auch Unterstützung beim Verstehen der speziellen Dynamik in Gewaltbeziehungen und der Frage, warum sich die Tochter so lange nicht aus einer derart destruktiven Beziehung befreien konnte.

Thema: Über die Schwierigkeit, aus einer langjährigen Gewaltbeziehung auszusteigen
Die Anruferin erzählt, dass das Zusammenleben mit ihrem Mann immer schwieriger und belastender wird. Er trinkt sehr viel, ist oft nächtelang weg. Wenn er zu Hause ist, beschimpft er sie und nörgelt an ihr herum, lässt sie nachts nicht schlafen und nötigt sie immer wieder zu sexuellen Handlungen. Sollte sie sich verweigern, droht er, sich das Leben zu nehmen. Der langjährigen Ehe entstammen zwei Kinder, der Sohn in schulpflichtigem Alter, die Tochter volljährig, aber noch zu Hause lebend. Auch die beiden leiden sehr unter den verbalen Attacken gegen die Mutter. Die Anruferin war bereits bei der Frauenberatungsstelle in der nahe gelegenen Stadt, hat dort auch juristische Beratung zu Scheidung und Gewaltschutzgesetz eingeholt. Sie ist sehr froh über die Unterstützung, die sie dort bekommt. Dennoch kann sie sich nicht zu einem „endgültigen“ Schritt entschließen. Ihren Mann zu verlassen bzw. die Scheidung zu beantragen, kann sie vor allem mit ihrer katholischen Erziehung nicht in Einklang bringen. Extreme Schuldgefühle plagen sie, sie meint, dem Mann beistehen und die Familie erhalten zu müssen. Gleichzeitig merkt sie, dass ihr der jahrelange Psychoterror und die massive Alkoholabhängigkeit ihres Mannes schon beinahe jegliche Kraft und jeden Selbstwert genommen haben.
Die Beraterin verweist die Frau zwar wiederum an die Frauenberatungsstelle, auch der Kontakt zur Interventionsstelle wird hergestellt, bietet ihr aber auch an, weiterhin die Frauenhelpline in Anspruch zu nehmen. Die Anruferin wohnt am Land und nimmt das Angebot gerne an. In der Folge (über mehrere Monate hinweg) wird mit ihr vereinbart, einmal in der Woche anrufen zu können, in akuten Situationen dementsprechend öfter. Die Anrufe beinhalten zusammengefasst - neben den schon erwähnten - folgende Themen: Überlegungen, eine einstweilige Verfügung mit Betretungsverbot zu beantragen; Miteinbeziehen der Exekutive; die körperliche Misshandlung durch ihren Mann vor einigen Jahren; immer wieder die schwer lastenden Schuldgefühle; gesundheitliche Probleme wie Schlafstörungen, Migräne; Angst vor einer Trennung und seiner Reaktion darauf; Mitleid mit ihm; Existenzängste, Selbstwertprobleme; Sorge um die Tochter, die vom Vater gedemütigt wird; Sorge um den Sohn, dem alles erlaubt wird und der vom Vater dazu angehalten wird, die Mutter nicht ernst zu nehmen; Tod der eigenen Mutter vor eineinhalb Jahren, die eine wichtige Stütze war; Depressionen; der Eifersuchtswahn ihres Mannes, seine Seitensprünge etc. Die Beraterinnen der Helpline unterstützen die Frau trotz ihrer Ambivalenz und besprechen immer wieder erneut die Folgen und auch die Chance einer Trennung, sodass es ihr irgendwann gelingen kann, ein selbstbestimmtes und angstfreies Leben zu leben.

 

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