Rechtliche Beratung zum Schutz vor Gewalt in der Familie

Welche rechtlichen Möglichkeiten Gewaltopfer in Österreich haben, wohin sie sich wenden können und wie die gesetzlichen Maßnahmen wirken, welche Grenzen und Chancen sie beinhalten, diese Fragen gehören zur zentralen Beratungsarbeit bei der Frauenhelpline. Daher haben wir uns auch heuer wieder dazu entschieden, das Gesetz mit seinen Novellierungen in den Bericht aufzunehmen.

Am 1. Mai 1997 ist in Österreich ein Gesetz zur Verbesserung des Schutzes vor Gewalt im Familienkreis (Gewaltschutzgesetz) in Kraft getreten. Mit 1. Jänner 2000 sowie mit 1. Jänner 2004 wurde das Gesetz in Teilbereichen reformiert und verbessert.
Das Gesetz, das die Wegweisung des Täters aus der Wohnung/Haus beinhaltet, bietet einen verbesserten Schutz für die Betroffenen und außerdem die Möglichkeit, in der gewohnten Umgebung zu bleiben. Vor Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes mussten die Betroffenen den Ort des Geschehens verlassen, wollten sie sich in Sicherheit bringen. Nicht der Täter musste die Konsequenzen seiner Taten ziehen, sondern die Opfer hatten den Platz zu räumen.
Dieser Ungerechtigkeit und Zumutung für Betroffene wurde durch das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie ein Ende bereitet. Jedoch kann auch dieses Gesetz keinen hundertprozentigen Schutz vor Gewalt bieten. In besonders gefährlichen Situationen, wie etwa vor, während oder nach Trennungen, kann es wichtig sein, dass die Frauen mit ihren Kindern die Wohnung verlassen und eine sichere Unterkunft (z.B. ein Frauenhaus) aufsuchen, zumindest bis die gefährlichste Zeit vorbei ist.
Das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie beinhaltet:

Wegweisung und Betretungsverbot nach §38a des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG)
Die Gendarmerie/Polizei hat die Aufgabe, eine Person, von der Gefahr für andere ausgeht, sofort aus der Wohnung/dem Haus und der unmittelbaren Umgebung wegzuweisen und das Betreten dieses Bereiches zu verbieten. Wenn eine strafbare Handlung, wie z.B. eine Körperverletzung, Nötigung, gefährliche Drohung, Vergewaltigung oder Freiheitsentzug erfolgt ist, muss die Gendarmerie/Polizei eine Anzeige aufnehmen.
Das Gesetz schützt jede in einer Wohnung oder in einem Haus wohnende Person (Ehefrau, Lebensgefährtin, Kinder, Verwandte, aber auch eine Untermieterin, Mitbewohnerin usw.), wobei es keine Rolle spielt, wem die Wohnung/das Haus gehört; die Gendarmerie/Polizei kann jede Person, von der Gefahr ausgeht, auch den Besitzer, wegweisen. Dieser Person werden in einem solchen Fall sofort die Schlüssel zur Wohnung/zum Haus abgenommen. Der Weggewiesene wird in der Folge dazu aufgefordert, eine neue Adresse, an die gerichtliche Schriftstücke übermittelt werden können, bekannt zu geben. Er darf lediglich Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitnehmen (persönliche Dokumente, Kleidung, Medikamente u. ä.).
Mit der Wegweisung wird gleichzeitig das Betretungsverbot ausgesprochen. Dieses gilt für die Wohnung/das Haus sowie für die unmittelbare Umgebung der Wohnstätte. Die Gendarmerie/Polizei muss den räumlichen Schutzbereich festlegen und dies dem Weggewiesenen mitteilen. Wenn die gewalttätige Person nicht freiwillig die Wohnung/das Haus verlässt, kann die Gendarmerie/Polizei Zwangsgewalt anwenden und den Gefährder entfernen.
Auch wenn der Misshandler festgenommen wurde, kann die Gendarmerie/Polizei ein Betretungsverbot verhängen, da der Misshandler jederzeit wieder entlassen werden könnte.
Das Betretungsverbot wurde mit 1. Jänner 2000 von sieben auf zehn Tage ausgedehnt.

Einstweilige Verfügung
Die einstweilige Verfügung (EV) nach § 382b Exekutionsordnung bietet längerfristigen Schutz:
Nahe Angehörige des Misshandlers - seit 1. Jänner 2004 sind das jene Personen, die, so der Gesetzestext im Wortlaut, ...mit dem Antragsgegner in einer familiären oder familienähnlichen Gemeinschaft... leben - haben die Möglichkeit, die zehn Tage währende Frist zum Schutz vor Gewalt zu verlängern. In diesem Fall muss innerhalb des Geltungsbereiches des Betretungsverbotes eine EV auf Ausweisung des Täters bei Gericht beantragt werden. Die EV kann jedoch auch ohne vorherige Intervention der Gendarmerie/Polizei erfolgen. Seit der Novellierung des Gewaltschutzgesetzes mit 1. Jänner 2004 ist die Antragstellung auch für alle Personen zulässig, die mit dem Gefährder zusammen in der Wohnung ...leben oder gelebt haben. Diese Gesetzesänderung ist eine wesentliche Verbesserung, weil die Antragstellung nun auch für jene Personen möglich ist, die ihre Hausgemeinschaft mit dem Gefährder vor mehr als drei Monaten aufgegeben haben. Sie kann damit auch Opfer von Stalking ein Stück weit unterstützen. Die Mitarbeiterinnen von Interventionsstellen, Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen können bei der Antragstellung unterstützen. Auch die Frauenhelpline bietet detaillierte telefonische Erstinformation über Antragstellung und regionale Beratungsstellen an.

Eine EV kann beantragt werden, wenn das Zusammenleben mit der gewalttätigen Person aufgrund von körperlichen Misshandlungen oder Drohungen unzumutbar ist. Jedoch kann auch bei seelischer Gewalt eine EV beantragt werden und zwar dann, wenn durch Psychoterror die psychische Gesundheit der Betroffenen erheblich beeinträchtigt und dadurch das Zusammenleben unzumutbar wird. Die Besitzverhältnisse spielen auch hier keine Rolle. Wichtig ist lediglich, dass die bedrohten Personen ein dringendes Wohnbedürfnis haben.

Für den Nachweis der Gewalt müssen so genannte „Bescheinigungsmittel“ z.B. die Aussage der betroffenen Frau, die Aussage von ZeugInnen, Berichte der Gendarmerie/Polizei, ärztliche Befunde, Spitalsbefunde, Berichte von TherapeutInnen und Hilfseinrichtungen, Fotos usw.) bei Gericht vorgebracht werden. Die Berichte der Gendarmerie/Polizei werden vom Gericht direkt angefordert. Das Gericht muss über den Antrag so rasch wie möglich entscheiden. Idealerweise sollte nach einer Wegweisung innerhalb von zwanzig Tagen entschieden werden (der Geltungsbereich eines Betretungsverbotes verlängert sich bei Beantragung einer EV innerhalb von zehn Tagen automatisch um weitere zehn Tage), damit die Betroffenen in der Wohnung bleiben können, ohne sich der Gefahr einer Rückkehr des Täters auszusetzen.

Die EV bietet verschiedene Schutzmaßnahmen. Da es sich dabei um eine zivilrechtliche Verfügung handelt, muss von den Betroffenen genau beantragt werden, welche Schutzmaßnahmen sie brauchen. Hat das Gericht den Beschluss auf Ausweisung gefasst, muss die Antragstellerin sofort darüber informiert werden, wann der Beschluss vollzogen wird. Der Vollzug erfolgt durch die Gerichtsvollzieher; in dringenden oder besonders gefährlichen Fällen kann das Gericht die Gendarmerie/Polizei ersuchen, den Beschluss zu vollziehen.

Die EV gilt vorerst für drei Monate; kann aber im Falle eines laufenden Scheidungs- oder auch eines Delogierungsverfahrens (wenn die betroffene Frau Hauptmieterin ist und die Delogierung des Misshandlers beantragt) verlängert werden.

zurück