AUSGEWÄHLTE FALLBEISPIELE

Die folgenden Fallbeispiele sollen Einblick in die Beratungsgespräche der Frauenhelpline geben und aufzeigen, welche Anliegen die AnruferInnen an die Mitarbeiterinnen herantragen.
Die Gespräche sind inhaltlich zusammengefasst, um das Wesentliche hervorzuheben. Die Angaben der AnruferInnen wurden aus Datenschutzgründen abgeändert.

Thema: Migrantin, psychisch kranker, gewalttätiger Ehemann 

Eine Frau ruft an, sie spricht Deutsch mit einem leichten Akzent. Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass sie aus Mazedonien stammt und österreichische Staatsbürgerin ist. Sie wirkt sehr beunruhigt und redete sehr schnell. Nachdem sie sich etwas beruhigt hat, berichtet sie, dass ihr Mann, ebenfalls Mazedonier, aber ohne österreichische Staatsbürgerschaft – ihrer Vermutung nach Psychisch krank ist. Laut Auskunft einer Psychiaterin könnte er an Borderline erkrankt sein, aber es gibt (noch) kein ärztliches Attest oder eine Diagnose. Wenn er alleine in der Wohnung ist, beginnt er regelmäßig die Wohnung zu demolieren, zerstört Gegenstände, verbrennt den Boden etc.. Sie hat bereits sieben mal die Polizei geholt, diese ist aber jedes Mal wieder gefahren, ohne ihn weggewiesen oder eingewiesen zu haben. Für die Polizei sei es „zu wenig“ an Gefährdung, erzählt sie. Außerdem ist er immer wieder gewalttätig gegen sie, einmal habe er sie so fest gewürgt, dass er sie fast umgebracht habe.
Sie hat nun extreme Angst vor ihm. Er sei nicht mehr zurechnungsfähig und es sei ihm alles zuzutrauen, so die Anruferin. Leider könne sie ihn, das habe ihr auch die Psychiaterin bestätigt, nicht Zwangseinweisen lassen, da ein zu geringes Ausmaß an Gefährdung bestünde. Er müsste eigentlich noch Schlimmeres anrichten, bzw. noch aggressiver und gewalttätiger werden, damit endlich etwas unternommen werden kann. Sie hat sich bereits bei mehreren Stellen erkundigt und es wurde ihr überall mitgeteilt, dass er gegen seinen Willen nicht eingewiesen werden könne. Ihr Mann zeigt auch keinerlei Schuld- oder Krankheitseinsicht.
Sie erkundigt sich bei der Beraterin der Frauenhelpline, was sie nun unternehmen kann und wie sie sich vor ihm schützen kann: Sie beabsichtigt auch, sich scheiden zu lassen. Aber sie befürchtet, dass dies bei ihm auf  großen Widerstand stoßen wird, da ohne österreichische Staatsbürgerschaft sein Aufenthaltstitel gefährdet sein wird.
Die Beraterin bespricht alle möglichen, für sie schützenden Maßnahmen und Vorgehensweisen. Für den Fall, dass er erneut aggressiv und gewalttätig wird, soll sie sofort die Polizei rufen, bzw. die Frauenhelpline anrufen. Diese wird mit ihrer Einwilligung die Exekutive verständigen. Es wird ihr dringend die Beantragung einer Einstweiligen Verfügung (EV) aus der gemeinsamen Wohnung empfohlen, damit sie in Ruhe überlegen kann, welche Schritte sie setzen möchte. Bevor sie die Scheidung einreicht, sollte sie vorher eine ausführliche juristische Beratung in einer Frauenberatungsstelle vor Ort in Anspruch nehmen. Während des Scheidungsprozesses kann sie sich durch die Beantragung einer EV schützen. Für den Fall, dass er erneut dazu übergeht die Wohnung zu demolieren und anzuzünden, kann sie sich auch an den Psychosozialen Dienst (PSD) wenden, denn hier handelt es sich eindeutig um eine Selbst- und Fremdgefährdung. Die Möglichkeit vorübergehend in ein Frauenhaus zu gehen, lehnt sie noch ab, aber sie bedankte sich vor allem für die Information zur Einstweiligen Verfügung, die sie nun beantragen wird.

Thema: Migrantin – Der Schritt ins Frauenhaus

Eine Frau wendet sich an die Frauenhelpline, da ihre Nachbarin von Gewalt betroffen ist und vom Mann aus der ehelichen Wohnung hinausgeworfen wurde. Der Ehemann hat ihr auch die Wohnungsschlüssel abgenommen. Die betroffene Nachbarin ist während des Anrufes anwesend, aber da sie nur serbisch und kaum deutsch spricht, wollte sie nicht selber anrufen. Die diensthabende Mitarbeiterin kann die betroffene Frau in ihrer Muttersprache beraten. Die Frau ist ziemlich aufgebraucht und schildert noch einmal kurz die eheliche Gewaltsituation. Sie sagt, dass sie nicht weiß, wo sie hingehen soll. Der Mann hat schon des Öfteren damit gedroht sie hinauszuwerfen, wenn sie nicht das macht, was er will. Er hat ihr erklärt, dass er im Recht ist und, dass es vom Gesetz her erlaubt sei, sie aus der ehelichen Wohnung auszusperren. Schließlich ist er der Besitzer der Wohnung. Die Beraterin erklärte ihr, dass ihr Mann Unrecht hat und sie informiert sie über ihre Rechte als Ehefrau und auch darüber, welche rechtlichen Möglichkeiten und Maßnahmen sie in Anspruch nehmen könnte. Letztlich entscheidet sie sich für den Weg ins Frauenhaus, da sie sonst keine sichere Wohnung oder Unterkunft in Österreich hat. Sie ist sehr erleichtert, nachdem sie erfährt, dass in diesem Frauenhaus auch muttersprachliche Beraterinnen mit serbischer Sprache arbeiten, und dass sie umfassende psychosoziale und rechtliche Betreuung erhalten kann.
 
Thema: Stalking

Die Anruferin wirkt gehetzt und nervös, sie spricht schnell und etwas atemlos. Dies kennzeichnet genau ihre Situation: Sie ist auf der Flucht! Sie ist ständig auf der Hut und voller Angst vor ihrem Ex-Freund. Vor einem dreiviertel Jahr hat sie die Beziehung beendet. Konsequent, wie sie es schildert. Unmissverständlich hat sie ihm mitgeteilt, dass die Beziehung zu Ende sei. Er ist dann aus ihrer Wohnung ausgezogen und in den ersten Wochen nach der Trennung gab es keinen Kontakt, keine Telefonate. Aber bald änderte sich das Leben der jungen Frau grundlegend: Ihr Ex-Freund begann, sie telefonisch zu belästigen, wollte sich wieder treffen und mit ihr reden. Sie blieb standhaft bei ihrem „Nein“. Als die Anrufe schließlich aggressiver wurden, sie Beschimpfungen und Drohungen enthielten, hat sie das Telefon nicht mehr abgehoben. Sie wurde ängstlich, denn ihr Ex-Freund konnte sehr jähzornig und unberechenbar sein. Dieses Verhalten war ihr noch gut in Erinnerung aus der Zeit ihres Zusammenseins. Die täglichen Anrufe und Drohungen wurden massiver, er drohte, sie umzubringen. Sie vertraute sich einer Freundin an, die sie sehr unterstützte. Aber gestern versuchte der Ex-Freund gewaltsam in ihre Wohnung einzudringen. Nach dieser Schilderung beginnt die junge Frau zu weinen. Sie berichtet auch, dass sie die Polizei gerufen hatte, aber diese konnten nichts tun, weil er vor dem Eintreffen des Streifenwagens rechtzeitig verschwand. Die BeamtInnen haben ihr zur Anzeige geraten. Sie hat einfach nur noch Angst und will nicht mehr zurück in ihre Wohnung. Sie wohnt derzeit bei ihrer Freundin, bei der sie für einige Tage bleiben kann. Die Beraterin der Frauenhelpline macht sie auf die Möglichkeiten aufmerksam, die sie im Fall von Stalking hat. Sie bestärkt die Hilfesuchende darin, sich der Bedrohung nicht weiter auszusetzen und ihn anzuzeigen. Sie informiert sie auch über die Einstweilige Verfügung, die sie beantragen kann, da sie bereits einmal zusammengewohnt haben. Zusätzlich hat sie auch die Möglichkeit, sich an den Kriminalpolizeilichen Beratungsdienst zu wenden, der sie bei der Anzeige und bei den weiteren Schritten im Fall von Stalking unterstützen kann.

Thema: Von Gewalt betroffene Frau

Eine etwa 30jährige ruft an einem Abend gegen 22 Uhr an. Sie meint, sie müsse dringend etwas unternehmen. Sie hat sich nun ein Herz gefasst und die Nummer der Helpline angerufen. Die Anruferin macht sich große Sorgen um ihre beste Freundin. Sie musste schon öfter mit ansehen, wie ihre Freundin von ihrem Lebensgefährten brutal und verletzend behandelt wird. Immer wieder kommt es zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden. Vor ein paar Tagen hatte sie wieder „sehr eindrückliche blaue Flecken im Gesicht“. Ihre Freundin kann und will jedoch nicht darüber reden und sie will vor allem ihre Freundin nicht damit belasten. Sie schämt sich sehr für das, was ihr passiert und sie fühlt sich auch schuldig. Aber sie möchte nur ihrer 10jährigen Tochter, die fast täglich vorkommenden Dramen, Auseinandersetzungen und körperlichen Brutalitäten ersparen und sie vor Gewalterfahrungen schützen. Sie traut sich aber nicht, selbst Hilfe zu holen. Sie weiß auch gar nicht, welche Möglichkeiten sie hat und welche Schritte sie setzen sollte. Die Anruferin klingt sehr besorgt und sie stellt viele Fragen: Wie soll sie sich in so einer Situation verhalten? Sie fragt, ob sie den Lebensgefährten ihrer Freundin zur Rede stellen soll? Was würde passieren, wenn sie ihn konfrontieren würde? Was ist, wenn sie die Polizei verständigt? Die Anruferin erzählt, dass ihr Lebensgefährte bereits einmal ein Gespräch mit dem Täter geführt habe. Dieser zeigte sich „schon irgendwie reumütig“. Allerdings war er auch der Meinung, „dass seine Frau Schuld hat, weil sie ihn immer so wütend macht“ und „da kommt ihm einfach hin und wieder die Hand aus.“ Der Täter selber fühle sich in der Situation auch sehr schlecht und weiß, dass es so nicht weiter gehen kann. Er hat schon an eine Paartherapie gedacht. Die Beraterin bestärkt die Anruferin darin, ihre Freundin nicht alleine zu lassen und sie weiterhin zu unterstützen. Wichtig ist es, ihre Freundin dahingehend zu motivieren, selber Hilfe in Anspruch zu nehmen und selbst bei der Frauenhelpline anzurufen. Die Anruferin fühlt sich sehr bestärkt in ihrem Handeln. Sie meint: „Meine Freundin hat mit nichts eine solche Behandlung verdient und das werde ich ihr sagen.“ Die Anruferin wird von der Beraterin über die verschiedenen Möglichkeiten und Maßnahmen informiert, die es in Österreich gibt, um sich aus einer Gewaltbeziehung zu lösen. Am Ende des Gespräches fühlt sich die Anruferin in ihrer Haltung „nicht wegschauen zu wollen und für ihre Freundin etwas zu tun“ bestätigt. Sie ist froh, bei der Helpline angerufen zu haben und wird ihre Freundin motivieren, selbst anzurufen.

Thema: Traumatische Gewalterfahrung in der Kindheit

Die Anruferin hat die Nummer der Frauenhelpline im Internet gefunden. Da es ihr seit einiger Zeit sehr schlecht geht, hat sie begonnen, dort nach möglichen Hilfseinrichtungen zu suchen. Es ist nun das erste Mal, dass sie sich um Unterstützung bemüht und sie ist sich nicht sicher, ob ihr überhaupt irgend jemand helfen kann. Es fällt ihr sehr schwer einen Anfang ihrer Geschichte zu finden. Nach einiger Zeit beginnt sie zu erzählen. Sie ist 26 Jahre alt und bis vor kurzem hat sie eigentlich ein normales Leben geführt. Sie hat eine Ausbildung abgeschlossen, kurze Zeit gearbeitet, bis sie ein Kind zur Welt brachte. Seit dem lebt sie mit ihrem Freund und dem kleinen Kind zusammen. Und irgendwann hat es dann begonnen. Sie ist jede Nacht von Albträumen geplagt aufgewacht und konnte dann nicht mehr einschlafen. In diesen Situationen ist sie total verzweifelt und fühlt sich schrecklich hilflos. Mit ihrem Freund kann sie darüber nicht reden; überhaupt kann sie mit niemandem darüber reden. Sie hat als Kind etwas sehr Schlimmes erlebt. Über Jahre ist es ihr gelungen, diese schlimmen Erinnerungen zur Seite zu schieben, doch nun kann sie einfach nicht mehr. Die Gedanken kommen von selbst. Es ist ihr klar geworden, dass sie als Kind sexuell missbraucht worden ist, und dass sie Hilfe braucht.
Die Beraterin führt mit der betroffenen Frau ein sehr langes Gespräch. Die junge Frau weint immer wieder und meint, sie sei froh, angerufen zu haben. Im Laufe des Gesprächs wird ihr immer klarer, dass sie ihr Problem nicht alleine lösen kann, dass sie dabei Unterstützung braucht. Im Moment fühlt sie sich allerdings nicht in der Lage, Kontakt zu einer entsprechenden Beratungsstelle, in der sie auch psychotherapeutische Unterstützung bekommen könnte, aufzunehmen. Sie kann zur Zeit noch niemandem persönlich gegenübertreten, wenn sie über ihr Problem spricht. Sie schämt sich so. Außerdem möchte sie anonym bleiben. Die Beraterin bietet ihr an, sie telefonisch auf dem Weg bis zu einem Kontakt mit einer Beratungsstelle zu begleiten. Dieses Angebot nimmt die Anruferin gerne in Anspruch und so kam es auch, dass sich die Hilfesuchende in regelmäßigen Abständen bei der Beraterin meldet und mit ihr die Ängste und Zweifel besprach. Durch die vielen Gespräche erhielt sie Vertrauen und eine gewisse Sicherheit und sie fühlte sich gestärkt und ermutigt, den Kontakt zu einer Beratungsstelle herzustellen. Nun hat sie auch eine Psychotherapie begonnen.

Thema: Sexuelle Gewalt gegen Kinder

Ein etwa 10jähriges Mädchen meldet sich ein wenig unsicher und kichernd. Im Hintergrund sind noch andere Kinder zu vernehmen, die die Kontaktaufnahme hörbar spannend und unterhaltsam finden. Nachdem sie sich kurz nach der Einrichtung, in der sie jetzt gelandet ist, erkundigt hat, berichtet sie in relativ emotionslosem Tonfall von einem sexuellen Übergriff durch einen erwachsenen Mann, der, wie sie sagt, vor einiger Zeit gegen sie stattgefunden hat. Auf die nachfolgenden Fragen der Beraterin bringt sie die recht schlüssige Geschichte einer Vergewaltigung vor. Sie wird aber immer wieder von ihren ungeduldigen FreundInnen unterbrochen. Ein Junge ergreift das Telefon und erzählt eine ähnliche Geschichte, bis es dem Mädchen gelingt, den Telefonhörer wieder in die Hand zu bekommen.
In dem Bewusstsein, dass es bei derartigen Anrufen einerseits um ein Probehandeln, um eine „Was-wäre-wenn“-Frage (der im Sinne der Präventionsarbeit eine sehr wichtige Funktion zukommt) gehen kann, und dass andererseits gerade kleinere Kinder in der Lage sind, von schweren Übergriffen ohne große Emotionen zu erzählen, erklärt die Beraterin den Kindern, wie schwierig es ist, Vorkommnisse dieser Art mit mehreren Kindern gleichzeitig und per Telefon zu besprechen. Sie gibt ihnen die Telefonnummer des nächstgelegenen Kinderschutzzentrums mit dem Hinweis, dort weitere Hilfe zu finden. Am übernächsten Tag erfolgt zufällig bei derselben Beraterin der Anruf einer Frau, die sich erkundigt, was ihre zehnjährige Tochter möglicherweise bei der Frauenhelpline „in die Wege geleitet“ hat. Sie teilte mit, dass die Vergewaltigung der Kleinen bereits zur Anzeige gebracht wurde und der Täter vielleicht sogar vor Gericht kommen wird. Die Mutter wirkt erleichtert darüber. Die Beraterin gibt schließlich auch der Mutter die Telefonnummer des Kinderschutzzentrums und informiert über die Möglichkeit psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung.

Thema: Schwer krank und vom Lebensgefährten misshandelt

Die Anruferin schluchzt am Telefon, sie bekommt schwer Luft, es dauert einige Zeit, bis ein Gespräch möglich ist. Dann möchte sie wissen, was sie tun könne, wenn der Mann gewalttätig ist und nicht ausziehen will. Die Beraterin fragt vorsichtig nach und langsam erzählt die Frau, dass sie selbst unheilbar krank ist und eine schwere Operation hinter sich hat. Eigentlich bräuchte sie selbst Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung des Haushaltes, die sie sehr viel Kraft kostet. Da ist aber noch der um beinahe 20 Jahre ältere Lebensgefährte, der sehr dement ist und seine Körperpflege schwer vernachlässigt. Die Anruferin ist völlig verzweifelt, da der Lebensgefährte sie immer wieder schlägt und schwerstens misshandelt. Sie hat schon einige verzweifelte Versuche gemacht, sich von ihm zu trennen, was aber auf Grund seines Alters und Gesundheitszustandes äußerst schwierig ist. Er müsste eigentlich in einem Pflegeheim untergebracht werden. Dorthin geht er aber niemals freiwillig, weil er ja ohnehin alles hat, was er braucht, so die Frau. Die Anruferin ist zutiefst verzweifelt und auch schwer suizidgefährdet, sie kann aufgrund ihrer Krankheit auch nicht zu einer Beratung und hat das Gefühl, dass sie der Situation völlig ausgeliefert ist. Sie wünscht sich, dass jemand kommt, der ihr hilft, den Lebensgefährte in ein Pflegeheim zu bringen. Im Einverständnis mit der Anruferin interveniert die Beraterin der Helpline bei der zuständigen Sozialabteilung und dort wird für den nächsten Tag ein Hausbesuch durch die Sozialarbeiterin vereinbart.       

Thema: Anrufer erkundigt sich für eine Freundin

Seit Jahren beobachtet der Anrufer die Vorfälle in der unglücklichen Ehe einer Freundin der Familie. Der Ehemann der Betroffenen ist Alkoholiker, wieder und wieder hat er seine Frau (und manchmal auch die gemeinsamen Kinder) geschlagen und grob beschimpft, bis sie es schließlich nicht mehr aushalten wollte und die Flucht ergriff. Ohne Geld und Kleidung stand sie mit den zwei kleinen Kindern am Bahnhof, „...so richtig klassisch“, sagt der Anrufer, der sie am nächsten Tag ins Frauenhaus brachte. Bald hatte der arbeitslose Ehemann jedoch herausgefunden, wo sich seine Frau und seine Kinder aufhielten, er begann sie zu verfolgen und zu terrorisieren, wo er nur konnte. Durch die Unterstützung der Mitarbeiterinnen des Frauenhauses fand sie rasch eine neue Wohnung, muss aber nun fürchten, trotz Meldesperre vom Mann neuerlich aufgespürt und bedroht zu werden. Die körperlichen und seelischen Kräfte der Betroffenen sind durch die erlittene Gewalt stark in Mitleidenschaft gezogen. Ihren eigenen Aussagen zufolge kann sie oft kaum noch die Energie aufbringen, um die wichtigsten Dinge für sich selbst und die Kinder zu erledigen. Der Anrufer möchte Informationen einholen, um im Gespräch mit ihr vorausplanen und im Ernstfall rasch handeln und Hilfestellung geben zu können.
Die Beraterin informiert über die gesetzlichen Möglichkeiten, die es im vorliegenden Fall gibt, insbesondere über die Einstweilige Verfügung. Sie bespricht mit dem Anrufer die mögliche Vorgangs- und Verhaltensweisen in einer Akutsituation.

Thema: Über die Schwierigkeit, aus einer langjährigen Gewaltbeziehung auszusteigen

Die Anruferin erzählt, dass das Zusammenleben mit ihrem Mann immer schwieriger und belastender wird. Er trinkt sehr viel, ist oft nächtelang weg. Wenn er zu Hause ist, beschimpft er sie und nörgelt an ihr herum, lässt sie nachts nicht schlafen und nötigt sie immer wieder zu sexuellen Handlungen. Sollte sie sich verweigern, droht er, sich das Leben zu nehmen. Der langjährigen Ehe entstammen zwei Kinder, der Sohn ist noch im schulpflichtigen Alter, die Tochter volljährig, aber noch zu Hause lebend. Auch die beiden Kinder leiden sehr unter den verbalen Attacken gegen die Mutter. Die Anruferin war bereits bei der Frauenberatungsstelle in der nahe gelegenen Stadt, hat dort auch juristische Beratung zum Thema Scheidung und über das Gewaltschutzgesetz eingeholt. Sie ist sehr froh über die Unterstützung, die sie dort bekommt. Dennoch kann sie sich nicht zu einem „endgültigen“ Schritt entschließen. Ihren Mann zu verlassen bzw. die Scheidung zu beantragen, kann sie vor allem mit ihrem katholischen Glauben nicht in Einklang bringen. Extreme Schuldgefühle plagen sie, sie ist noch immer der Meinung, dem Mann beistehen und die Familie erhalten zu müssen. Gleichzeitig merkt sie, dass ihr der jahrelange Psychoterror und die massive Alkoholabhängigkeit ihres Mannes schon beinahe jegliche Kraft und jeden Selbstwert genommen haben.
Die Beraterin bespricht mit ihr alle Möglichkeiten, die sie in Anspruch nehmen kann. Sie rät ihr auch, sich Zeit zu lassen und nichts zu überstürzen. Sie bietet ihr an, weiterhin die Frauenhelpline in Anspruch zu nehmen. Die Anruferin fühlt sich sehr erleichtert und nimmt das Angebot gerne an und sie ruft über mehrere Monate hinweg in unterschiedlichen Zeitabständen bei der Helpline an - oft auch nachts oder an Wochenenden. Bei diesen Telefonaten wurden alle ihre Fragen, Ängste, Ambivalenzen und Überlegungen aufgearbeitet und besprochen, wie etwa die Möglichkeit eine Einstweilige Verfügung zu beantragen, die Polizei in der Akutsituation anzurufen. Es wurde über die lang zurückliegenden und aktuellen Misshandlungen durch ihren Mann und über die immer wieder schwer lastenden Schuldgefühle gesprochen. Die gesundheitlichen Probleme wie Schlafstörungen und Migräne, über ihre Angst vor einer Trennung und seiner Reaktion darauf, das Mitleid mit ihm, die Existenzängste und Selbstwertprobleme waren ebenfalls immer wieder Thema der Anrufe. Auch die Sorge um die Tochter, die vom Vater gedemütigt wird, wurde angesprochen und über den Sohn, dem alles erlaubt wird und der vom Vater dazu angehalten wird, die Mutter zu erniedrigen. Der Tod der eigenen Mutter vor eineinhalb Jahren, die eine wichtige Stütze  für sie war beschäftigte die Anruferin ebenfalls sehr. Die immer wiederkehrenden Depressionen, der Eifersuchtswahn ihres Mannes, seine Seitensprünge  etc. Die Beraterinnen der Frauenhelpline haben sie über Wochen und Monate begleitet und am Ende hat die Frau mithilfe einer Beratungsstelle vor Ort die Scheidung eingereicht.

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