Telefonische Beratung/Grundsätze „Die Arbeit
am Telefon wirft ganz spezielle Probleme auf: Zum ersten kann alles, was
wir in einem persönlichen Gespräch an averbaler Kommunikation
beobachten können und was uns insbesondere in der Beurteilung der
affektiven Lage sehr hilfreich ist, bei der Arbeit am Telefon nur über
den akustischen Kanal laufen. Zum zweiten kann ein solches Gespräch
jederzeit vom Anrufer unterbrochen werden. Auch Zufälligkeiten können
die Verbindung stark beeinträchtigen. Letztendlich ist die Arbeit
auch körperlich sehr anstrengend. Weiters ist die Gefahr, bei telefonischen
Beratungen durch andere Personen gestört zu werden, ziemlich groß.
All diese Schwierigkeiten können sich jedoch auch als Vorteile herausstellen.
(...) Die Anonymität, die durch die mittelbare Kommunikation über
das Telefon möglich ist, erleichtert es auch manchen Klienten, in
Kontakt zu treten. (...) Als Frauenhilfseinrichtung gelten als Grundsätze der telefonischen Beratungstätigkeit die Prinzipien der feministischen Sozialarbeit. Die Frauenhelpline bietet unbürokratische Soforthilfe. Sie ist kostenlos und rund um die Uhr aus ganz Österreich für Betroffene erreichbar. Die Frauenhelpline und ihre Mitarbeiterinnen arbeiten inhaltlich autonom. Die Anruferinnen werden ausschließlich von Frauen beraten. Die Frauenhelpline wird als Einrichtung des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser von Frauen geleitet. Für die Beratung gilt das Prinzip der Parteilichkeit für die hilfesuchende Frau. Die Beraterinnen stellen sich auf die Seite der Betroffenen und sehen diese als Expertin ihrer Situation an. Auch nach außen bzw. bei Interventionen und/oder Kontaktherstellung zu anderen Institutionen wird die Sichtweise der Anruferin vertreten. Die telefonische Beratung erfolgt streng vertraulich und anonym, d. h. die Anruferin muss keinerlei persönliche Daten bekannt geben. Sind persönliche Daten notwendig (z. B. bei Interventionen), so werden Informationen ausschließlich unter ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen weitergegeben. Die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Beraterinnen
arbeiten nach der Methode des Empowerments. „Das erste Prinzip der Heilung ist die Ermächtigung der Überlebenden. Sie muß die Verfasserin und Richterin ihrer eigenen Heilung sein. Andere können Ratschläge erteilen, Unterstützung, Assistenz, Zuneigung und Fürsorge geben, aber keine Heilung. Viele wohlwollende und gutgemeinte Versuche, den Überlebenden zu helfen, schlagen fehl, weil das fundamentale Prinzip der Ermächtigung nicht eingehalten wird. Keine Intervention, die der Überlebenden noch weiter Macht und Kontrolle über ihr Leben nimmt, kann ihre Heilung unterstützen, egal wie sehr diese auch unmittelbar in ihrem besten Interesse erscheint.“ (J. L. Herman: Narben der Gewalt) Die Niederschwelligkeit
der Einrichtung ermöglicht es, auch Frauen zu erreichen,
die in ihrer Betroffenheit und der meist akuten psychischen Belastungssituation
durch ihre Gewalterfahrungen oftmals nicht die Kraft haben, andere
Einrichtungen aufzusuchen bzw. zuerst einmal herauszufinden, an wen sie
sich wenden könnten. Das heißt, es wird ein unverbindliches
und vertrauliches Gespräch angeboten, von dem die AnruferInnen, ohne
einen Termin vereinbaren oder lange warten zu müssen, Gebrauch machen
können. Dem Team der Frauenhelpline geht es vor allem darum, den Frauen zuzuhören, ihnen unvoreingenommen zu glauben (Parteilichkeit) und sie in ihrem ersten Schritt - den Kreislauf der Gewalt mit eben diesem Anruf zu durchbrechen - zu unterstützen und zu bestärken. Zusätzlich wird versucht, mit den Frauen Ansätze konstruktiver Lösungen ihrer Probleme zu erarbeiten – soweit dies in einem ersten Anruf möglich ist. Natürlich sind oft mehrere Gespräche notwendig, um Frauen dabei zu helfen, einen Weg für sich zu finden, d. h. es besteht das Angebot, die Frauenhelpline auch mehrmals in Anspruch zu nehmen. Die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline begleiten Frauen vor und bei der Entscheidung zu einem Ausstieg aus einer Gewaltbeziehung, während dieses Prozesses und auch danach. Die physischen und psychischen Auswirkungen von erlebter und manchmal gerade noch überlebter Gewalt können noch lange nach der Trennung vom Gewalttäter anhalten. Phasen des Zweifelns und der Einsamkeit können akute psychische Krisen im Sinne einer posttraumatischen Belastungsreaktion auslösen. In solchen Momenten
kann das Inanspruchnehmen eines sofortigen telefonischen Beratungsgespräches
viel zur Entlastung beitragen und über die Krise hinweg helfen. Gerade
deshalb ist es enorm wichtig, als Kriseneinrichtung rund um die
Uhr erreichbar zu sein. Im Laufe der Zeit hat sich auch eine längerfristige telefonische Begleitung von Anruferinnen herauskristallisiert. Es gibt mehrere Frauen und Mädchen, die in regelmäßigen, vorher vereinbarten Abständen über einen gewissen Zeitraum hinweg anrufen. Speziell in Fällen von sexuellem Missbrauch, den Frauen in der Kindheit/Jugend erlebt haben und jetzt therapeutisch aufarbeiten, bietet die Frauenhelpline dieses Service als Begleitung neben einer Therapie an. Immer wieder wenden sich auch Kinder und Jugendliche, die von Gewalt betroffen oder mitbetroffen sind, an uns. Diese Anrufe gestalten sich oft sehr schwierig, vor allem je jünger die Kinder sind. Hierbei ist genau und vorsichtig abzuwägen, inwieweit eine Intervention bei der Exekutive beispielsweise dem Kind nicht mehr schaden als nützen kann. Auch in diesen Fällen ist die Zusammenarbeit mit regionalen Hilfseinrichtungen immens wichtig, mit denen die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline dann Kontakt aufnehmen. Gemeint sind hier Jugendämter, Kinderschutzzentren, Kinder- und Jugendanwaltschaft etc. Die Nummer 0800/222 555 wird auch häufig von Anruferinnen in Anspruch genommen, die sich in ihrer Partnerschaft bzw. in ihrer familiären Situation nicht mehr wohl fühlen. Es gibt Streit, Missverständnisse, die Frauen fühlen sich überfordert und allein gelassen. Manchmal kündigen sich in den von den Frauen wiedergegebenen Aussagen der Partner schon gewalttätige Grenzüberschreitungen an. Auch hier wird versucht, mit den Anruferinnen gemeinsam Lösungsstrategien zu erarbeiten, eventuell auch eine Trennung und deren Folgen anzudenken. In diesem Sinn leistet die telefonische Beratungstätigkeit auch einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Gewalt. Die nachteilige Wirkung von erlebter Gewalt auf die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen ist mittlerweile vielfach belegt. Präventive Beratung, Krisenberatung und Entlastung sowie das frühzeitige Erkennen von gesundheitsgefährdenden Lebenssituationen, das Hinweisen der Betroffenen darauf und die Motivation und Unterstützung in dem Prozess, belastende Faktoren zu verändern, bilden wesentliche Bestandteile einer ganzheitlichen Beratung, die Gesundheitsförderung für Frauen im Blickpunkt hat. Gerade wenn spezifische Einrichtungen geschlossen sind, wenden sich vermehrt auch Frauen und Mädchen mit psychischen Erkrankungen (oft auch eine Folge von erlebter Gewalt in Kindheit und Jugend) an die Frauenhelpline. In einer akuten Krise wird auch in diesen Fällen eine Krisenberatung angeboten. In der Folge wird möglichst schnell aber behutsam an die zuständige Notfallpsychiatrie oder andere regionale Hilfseinrichtungen weitervermittelt. Der telefonischen Beratung und Betreuung der Betroffenen sind jedoch auch Grenzen gesetzt. Es fehlt das persönliche Gespräch (die face-to-face-Kommunikation) und die daraus entstehende größere Verbindlichkeit. Oft wird dies von Anruferinnen, die durch wiederholte oder länger dauernde Gespräche Vertrauen zu den Mitarbeiterinnen fassen und sie als Begleiterinnen auf dem oftmals langen Weg der Loslösung vom Misshandler sehen, bedauert. Da die Frauenhelpline jedoch eine bundesweite Einrichtung ist, könnte das zusätzliche Angebot von persönlichen Beratungsgesprächen lediglich regional angeboten werden und würde auch die Arbeit, Aufgaben und Zielsetzung wesentlich verändern. Nichtsdestotrotz
zeigt sich an den Wünschen und/oder Forderungen vieler Anruferinnen
großer Bedarf an persönlicher Beratung. Das
Netz an frauenspezifischen Hilfseinrichtungen ist – vor allem in
den Bundesländern – keineswegs flächendeckend und ausreichend.
Je mehr Alternativen und Möglichkeiten die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline
den Frauen vor Ort anbieten können, desto effizienter ist auch die
Beratungsarbeit.
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