Grundsätze der telefonischen Beratung Die telefonische Beratung steht im Zentrum der Arbeit der Frauenhelpline. Aber was bedeutet telefonische Beratung? Wo liegen die Besonderheiten, was sind die Schwierigkeiten, die Grenzen aber auch die Vorteile einer Beratung am Telefon? Mit welchen Grundhaltungen arbeiten die Mitarbeiterinnen und welche Voraussetzungen sind notwendig, um AnruferInnen optimal zu unterstützen? Darüber möchten wir im folgenden Kapitel ausführlicher berichten. Telefonische Beratung (wie auch face-to-face Beratung) beruht nach unserer Auffassung auf persönlicher Kommunikation, in welcher ein Dialog im Sinne einer gemeinsamen Entschlüsselung der Situation angestrebt wird. Somit ist es Voraussetzung, dass die Klientin Beratung wünscht und sich auf die Interaktion einlässt, denn nur dann kann eine Beziehung zwischen Klientin und Beraterin aufgebaut werden, eine notwendige Bedingung für ein gutes und erfolgreiches Beratungsgespräch. Die Beratung zielt
grundsätzlich auf die Vermittlung neuer Einsichten und Einstellungen
bei den Anruferinnen ab, die es ihnen ermöglichen, ihre Situation,
ihr Problem aus einer neuen bzw. erweiterten Perspektive zu betrachten
und Lösungswege zu finden. Die Beraterin lenkt diesen Prozess einerseits
mit bestimmten Methoden, andererseits nimmt sie jedoch keinen Einfluss
darauf, wann, wie und wofür sich die Klientin während oder nach
der Beratung entscheidet. Die Beraterin geht von einem systemischen, lösungsorientierten
Ansatz aus: Durch richtige Fragestellungen und unterstützende Antworten
sollten die Hilfesuchenden selber in die Lage kommen, Lösungen und
Wege aus ihrer konfliktbeladenen Situation zu finden. Die Mitarbeiterinnen orientieren sich vor allem an feministischen und frauenspezifischen Prinzipien, die im Folgenden kurz beschrieben werden. Ein wichtiges Prinzip ist die Parteilichkeit. Das bedeutet, ganz auf der Seite der bedrohten und misshandelten Frau zu stehen und sie bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche ernst zu nehmen, zu begleiten und zu unterstützen. Es gilt, Benachteiligungen bewusst zu machen und letztlich Machtunterschiede aufzuzeigen und abbauen zu helfen. Gewalt ist immer auch ein Ausdruck der Machtungleichheit zwischen Frauen und Männern. Parteiliche Beratung bedeutet auch, Frauen zu vermitteln, dass ihre Gewalterlebnisse in ähnlicher Form auch von zahlreichen anderen Frauen geteilt werden. Dies kann zur Minderung von Schuldgefühlen und zum Verstehen führen, dass Gewalt keine private Angelegenheit ist. Das Prinzip der Ganzheitlichkeit umfasst eine mehrdimensionale Sicht- und Arbeitsweise, d.h. die Lebenswelt der Klientin wird ebenso einbezogen, wie die gesellschaftspolitische Situation. Für die Anruferin bedeutet das, eine ressourcenorientierte Stärkung und an der Lebenswelt ausgerichtete Möglichkeiten für den erfolgreichen Umgang mit Problemstellungen aufzuspüren. Frauen beraten Frauen: Betroffenheit ist sowohl das Wissen der Beraterin um die strukturellen Bedingungen und weiblichen Lebenszusammenhänge als auch das eigene Erleben der frauenbenachteiligenden Verhältnisse. Das heißt nicht, die gleichen Lebenserfahrungen gemacht haben zu müssen, aber die Kenntnisse um die Inhalte und Folgen der Geschlechterdifferenz zu haben. Aus diesen Bedingungen ergibt sich das Prinzip „Frauen beraten Frauen“. Der Schritt, sich an eine frauenspezifische Beratungsstelle zu wenden, bedeutet schon, dass die betroffene Frau die Kontrolle über ihr Leben zu gewinnen versucht. Das Ansprechen eines Problems kann gleichbedeutend sein mit der Beendigung der Isolation. Das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstreicht die Eigenverantwortlichkeit der Frau. Anrufenden Frauen wird dabei geholfen, eigene Bedürfnisse und Interessen wahrzunehmen und ihre Zielvorstellungen und Bedürfnisse zu erarbeiten. Im Sinne des Empowerments geht es um den Wiederaufbau des Selbstvertrauens und der Selbstachtung, die es ermöglichen, Entscheidungen zu treffen und das Leben selbstbestimmt zu gestalten. Anonymität bedeutet, dass die anrufenden Frauen Namen und andere Daten nicht nennen müssen. Im Rahmen der Anonymität verpflichtet sich die Beraterin auch zur Verschwiegenheit über jegliche Gesprächsinhalte, was gleichzeitig dem Schutz der Betroffenen dient. Nur mit Zustimmung der Anruferin werden Daten und Informationen bei Interventionen weitergegeben. Autonomie umfasst die Unabhängigkeit auf der Ebene der Institutionen wie auf der inhaltlichen Ebene. Die Frauenhelpline ist inhaltlich autonom, konfessionslos und parteiunabhängig und stellt ausschließlich das Interesse der Anruferin in den Mittelpunkt.
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